Montag, 27. März 2017

6. Hanna und Lena



Über ein halbes Jahr meines Freiwilligendienstes ist jetzt schon um – kaum zu fassen, wie schnell die Zeit vergangen ist! Da ich mit meinen Blogeinträgen offensichtlich nachlässiger werde, gibt es zwischen Dezember 2016 und jetzt noch viel zu viel zu erzählen.  Am besten ich fange mit dem Dezember an, der ein einziges Highlight meines Auslandsjahrs darstellt…

Bis zum 16. Dezember waren wir noch – mehr oder weniger – arbeiten. Mehr oder weniger, weil für den Closing Day am 16. alles vorbereitet wurde. Die Kinder der Primary School hatten keinen Unterricht mehr, sondern probten in verschiedenen Gruppen, wie z.B. Chor, Tanzen, Drama und mehr für den Closing Day. Da Clara am 13. und Jasper am 06. Geburtstag hatte, kamen nahezu alle Kolping-Malawi-Freiwilligen an diesem Wochenende zu uns, um die Geburtstage nachzufeiern und dann am Montag alle zusammen loszufahren in den Urlaub. 

Unser erstes Ziel war Chilumba, was ganz im Norden nahe am Malawisee liegt. Dort leben Nora und Elli, zwei unserer Mitfreiwilligen, und unterrichten an einer Secondary School. In Chilumba ist es unerträglich heiß, auch nachts ist es seehr warm. Und wenn man abends draußen gemütlich zusammensitzt, um die kaum merkliche Abkühlung zu genießen,  ist man von vielen Tieren umgeben, kleine und größere… 
Nach einer Nacht voller Alpträume vom Ersticken oder von Spinnen unterm Mosquitonetz, machten wir uns auf nach Livingstonia, nicht nur meiner Meinung nach einer der schönsten Orte Malawis. Livingstonia ist ein Bergdorf, von dem man einen wunderschönen Ausblick auf den Malawisee und die umgebenen Berge hat. Dort machten wir es uns erst in einer sehr ruhigen Lodge gemütlich, in der wir nahezu die einzigen Gäste waren.
 Nach zwei Nächten siedelten wir um in die benachbarte Lodge, da dort mehr los ist und vor allem: um meine Schwester Lena zu treffen!! 😊 Vorher reiste sie mit Ronja von Dar es Salaam runter nach Malawi, um von Lilongwe wieder zurück zu fliegen. Endlich fanden wir uns unter Freudentränen an der Bar, ich hab mich unglaublich gefreut sie wieder zu sehen!
Nach ein paar Tagen mit Ronja und Lena auf der Mushroomfarm (die anderen sind schon früher weiter gereist), ging es weiter nach Nkhata Bay am See, mit kleinem Zwischenstopp in Mzuzu (schöne, relativ kleine Stadt im Norden). Plötzlich war ich diejenige, die sich am besten auskannte und die beiden durch Mzuzu führen musste… Mit meinem Orientierungssinn, vor allem in Mzuzu, war das zwar ein  kleines Chaos, doch am Ende haben wir alles gefunden, was wir wollten und ich konnte ein bisschen stolz auf mich sein :D. 
In Nkhata Bay endlich angekommen (ca. 1 Stunde von Mzuzu), trafen wir wieder auf die anderen, die schon einen Tag länger dort waren. Hier verbrachten wir die Weihnachtsfeiertage, am See, ohne Sandstrand, aber mit wunderschön klarem Wasser. An Heiligabend war schrottwichteln angesagt. Wir haben uns alle ziemlich lustigen und unnötigen Scheiß geschenkt, aber es war ein sehr lustiger und schöner Abend, vor allem Ronjas geschmolzene Schokolade aus Deutschland hat das Leben uns armer Freiwilliger versüßt…
Am 25. gab es von unserer Lodge aus ein fettes Weihnachtsbuffet und wir waren in einem Club in Nkhata Bay feiern.
 Am 26. Ging unserer Reise schon wieder weiter in den Süden. Von Nkhata Bay trampten wir erst nach Salima, um im Haus von zwei von uns einen Zwischenstopp zu machen. Da wir eine sehr große Gruppe waren, teilten wir uns in zwei Gruppen auf. Die erste Gruppe hatte, trotz Alkohol am Steuer, Glück, da sie schnell in Salima waren und ein komfortables Auto erwischt hatten. In der zweiten Gruppe waren wir 6 Leute, weswegen wir erst sehr erleichtert waren, dass wir alle zusammen in einem Auto mitfahren konnten. Doch der Typ, der uns gefahren hat, stellte sich als ein klein  wenig verrückt heraus…. 

Wir hatten von Anfang an einen festen Preis ausgemacht, für den er uns nach Salima bringen würde. Dieser Preis war günstiger als der normale Festpreis, aber unser Fahrer hatte zugesagt und Missverständnisse gab es sicherlich nicht. Nach einer Weile jedenfalls meinte er, er wolle mehr Geld von uns. Erst diskutierte er mit uns, doch er wollte nicht einsehen dass wir im Recht lagen, da wir einen Preis ausgemacht hatten und er zugesagt hatte. Die ganze Fahrt über fing er wieder an zu diskutieren und teilweise wurde er fast aggressiv und hat auf seine Hupe geschlagen und uns angeschrien. Letztendlich drohte er uns mit der Polizei in Nkhotakhota (halbe Strecke), wo er geboren wurde und deswegen viele kennt. Kurz vor Nkhotakhota wurden wir alle 2 Minuten irgendwelchen Leuten gezeigt, die er kannte. In Nkhotakhota sind wir dann ausgestiegen, weil er keinen Kompromiss eingehen konnte. So haben wir für die halbe Strecke den Preis gezahlt, den wir für die ganze gezahlt hätten, das war sehr ärgerlich und wir haben ihm noch ordentlich Beleidigungen an den Kopf geschmissen, als wir weg gegangen sind. Das Gruselige an der Geschichte ist, dass genau derselbe Typ später nochmal Clara Marius und mich von Mzuzu nach Lilongwe mitnehmen wollte und auch andere Freiwillige von der Organisation artefact haben von ihm erzählt, dass er genauso ausgerastet ist und sie genauso abgezockt hatte.
Nach einer Nacht in Salima fuhren wir nach Cape MaClear, eine Bucht am südlichsten Ende des Malawisees. Dort waren wir zufällig in der gleichen Lodge wie (fast) alle anderen deutschen Freiwilligen Malawis. Wenn ich mich recht erinnere, waren wir fast 30 Deutsche auf einem Haufen und dementsprechend war Silvester eine große Party, die wir aber in einer angesagteren Lodge gefeiert haben, wo auch ganz viele andere Touristen waren. Am Neuhjahrsmorgen mussten wir schon wieder nach Lilongwe zurück, zumindest ich mit meiner Schwester, da deren Flug nach Deutschland am 03. schon ging. Am 02. konnte ich Lena und Ronja noch Lilongwe ein bisschen zeigen, aber am Tag darauf musste ich sie früh verabschieden, da ich selbst auch wieder zur Arbeit musste. Diese Zeit war wirklich sehr schön und ich habe mich über den Besuch von Lena und Ronja seeehr gefreut!  

Den Januar wollten eigentlich erstmal ruhiger angehen und nicht so viel Geld ausgeben, doch dann waren wir gleich von 13.-15. In Mzuzu, um Luise und andere zu besuchen, die dort oder in der Nähe wohnen. 
Außerdem fragte uns ein Freund, der vor ein paar Jahren mit einer deutschen Freiwilligen ein Projekt gegründet hat, ob er in unserem Haus für 1-2 Monate eine Freiwillige unterbringen kann. Natürlich haben wir zugesagt, wir haben immerhin ein unbenutztes Zimmer und natürlich ist das auch nicht nur unser Haus. Hanna kam also am 12.01., kurz bevor wir uns nach Mzuzu aus dem Staub machten. Jetzt, Ende März ist sie immer noch hier im Haus (bzw. grade ist sie im Urlaub und vermutlich wird sie danach gehen) und die Freiwilligen wechseln schon. Vorgestern kam die neue Freiwillige Marielle aus den Niederlanden, und es gab schon einiges Chaos. Dies hat viele Gründe, aber vor allem läuft die Kommunikation zwischen der deutschen Freiwilligenorga des Projektes, dem Projekt selbst und uns beiden  noch nicht so einwandfrei. Dann ist da noch das Problem, dass Hanna grade im Urlaub ist und ihren Raum natürlich nicht geräumt hat, weil sie nicht wusste, dass jemand kommen wird, als sie ging. Deswegen ist es grade eher chaotisch bei uns und unsicher, da bald auch noch Osterferien sind und Clara und ich natürlich verreisen wollen… 

In den Osterferien wollen wir vermutlich eher in den Süden reisen, unser Hauptplan ist der Berg Mulanje, der höchste Berg Malawis und wenn ich mich nicht täusche auch einer der höchsten Berge Afrikas. 

In meinem nächsten Eintrag werde ich von unserer Reise nach Tansania berichten…

Montag, 13. Februar 2017

5."Jesus loves you!"



Nach laanger langer Zeit überwinde ich mich mal wieder dazu, einen neuen Blogeintrag zu machen. Seit dem letzten Eintrag ist sehr viel passiert, immerhin bin ich jetzt bald ein halbes Jahr hier, kaum zu fassen.  Was ich euch diesmal berichten will, ist schon Ende Oktober geschehen. Ist ziemlich lange her, aber für mich ein wichtiges Ereignis und bestimmt spannend für euch.

Ende Oktober hatten Clara und ich uns grade frisch die Haare zu Rastas flechten lassen und dadurch zwei neue Freundinnen gewonnen; die beiden Frauen, die uns frisiert hatten. Bald darauf wollten wir uns mit ihnen treffen um zusammen zu kochen und die beiden fragen, ob wir am nächsten Sonntag zusammen mit ihnen in die Kirche könnten, da uns interessierte, wie hier der Gottesdienst so abläuft. Da das Treffen unglücklicherweise doch nicht zu Stande kam, sind wir auch nicht zu der Gelegenheit gekommen zu fragen, ob wir in die Kirche mitkommen können. Da wir aber eine große Kirche quasi direkt vor der Haustüre haben, dachten wir, können wir ja auch da hingehen und uns das anschauen. Wir machten uns um kurz vor 9 Uhr auf den Weg, um pünktlich da zu sein. Wir wussten zwar nicht, wann der Gottesdienst dort beginnen würde, aber von der Kirche in unserem Projekt kannten wir die Uhrzeit 9 Uhr. Im Grunde ist es auch nicht so wichtig pünktlich zu kommen, viele kommen einfach wann sie wollen bzw. können, sei es 1-2 Stunden später. 

Wir kamen also dort an, wurden am Eingang freundlich begrüßt und uns wurde ein Bibelspruch mit auf den Weg gegeben, und schon ging es los. Der Gottesdienst hatte wahrscheinlich schon früher angefangen, da schon einige Leute da waren und der Chor schon am Singen war. Uns wurde von einer netten jungen Dame der Platz sogar zugewiesen. Den genauen Ablauf des Gottesdienstes hab ich nicht mehr im Kopf, dafür ist es doch zu lange her. 

Ich fand die Kirche erst total cool, weil sie so modern ausgestattet war, aber auf den zweiten Blick erschien mir alles protzig. Die Männer, die geredet/gepredigt haben (ich weiß nicht, ob man es Pfarrer nennen kann, es war nicht wie in einem deutschen Gottesdienst), hatten alle weiße Anzüge mit roten Krawatten an, die Frauen des Chors lange rote Kleider, und selbst die Kinder, die später noch getanzt haben, waren im selben Dresscode. Im  Gegensatz zu einem deutschen Gottesdienst (der evangelischen Landeskirche), wo der Pfarrer leise und schleppend aus der Bibel erzählt und ab und zu die ganze Gemeinde zögerlich und schräg aus dem Gesangsbuch ein/zwei Lieder singt, ging es in diesem Gottesdienst ganz anders zu. Während ein Mann vorne auf- und ablaufend lauthals Gott gepriesen hat, spielte die Band/der Chor nebenher und dadurch wirkte das Ganze sehr energiegeladen. Zwischendurch gab es auch Phasen, in denen man für sich beten konnte. Aus einem Gottesdienst zu Hause kenne ich das so, dass für ein paar Minuten komplette Stille herrscht und die Leute still für sich beten. In dieser Kirche (aber auch in anderen hier) beten die Leute alle laut vor sich hin und mit der Zeit wird die Gemeinde auch immer lauter. Was beeindruckend sein kann, aber auch ein bisschen creepy. In dieser Kirche war das ziemlich krass, weil die Leute einerseits sehr lange am Beten waren, und nebenher der Mann immer „Take your time, take your time“  und anderes in sein Mikrofon gerufen hat. Viele redeten einfach  so vor sich hin, aber andere gestikulierten und stampften mit den Füßen auf, weil sie sich so reingesteigert hatten. Als die Frau, die uns auch zu unserem Platz geführt hatte, sah, dass wir nicht beteten, sondern nur in der Gegend herumstarrten, kam sie extra nochmal auf uns zu, um uns darauf aufmerksam zu machen: „This is the time to pray.“
Das alles war erst beeindruckend mit anzusehen, aber irgendwann bekamen wir Hunger und wunderten uns, dass das so lange ging. Wir planten nämlich ein, dass der Gottesdienst bestimmt bis um 12 ungefähr gehen würde, da wir auch das von der Kirche in unserem Projekt kannten (was ich schon relativ lang finde). Um 12:30 Uhr waren wir überzeugt, der Gottesdienst würde bald enden, doch dann wurde uns klar, als er um 13:00 immer noch nicht endete, dass wir nicht abschätzen können, wie lange es noch dauern würde. Um diese Uhrzeit fing dann auch der krassere Teil der Geschichte an. 

Wir hatten schon vorher von Kirchen gehört, in denen die Leute vor der gesamten Gemeinde „gesegnet“  würden und manche so berührt wären, dass sie umfallen oder herumtaumeln würden. Wir ahnten wirklich gar nichts dergleichen, und doch stellte sich heraus, dass diese Kirche genau so eine sein würde. Der Mann, der das Segnen übernahm, segnete erst ein paar ausgewählte Personen, indem er ihnen die Stirn „berührte“ bzw. sie heftig vor die Stirn schlug. Danach stellte sich die ganze Kirche zwischen den Bänken an, um dann, jeder einzeln, gesegnet zu werden. Wir waren erst total überwältigt von dem Schauspiel, als wirklich die ersten kurz umfielen, aber schnell wieder von Helfern auf die Beine gebracht wurden. Dann sahen wir, wie manch einer vorne durch die Kirche taumelte und der Segnende vor ihm Gestiken tat, die so wirken sollten, als führte er den Taumelnden. Erst stellten wir uns in die Schlange, da wir dachten,  der Mann würde einen nur kurz an der Stirn berühren. Als wir aber schon fast ganz vorne standen und mehr von dem Spektakel zu sehen bekamen, sah ich, dass er manche fast schubste und nicht nur die Hand auf die Stirn legte. Ich entschied also zurück zu meinem Sitzplatz zu gehen und von da aus zu zuschauen, kurz darauf wollte auch Clara nicht mehr vorne stehen. Wir haben ewig der Prozedur gespannt und auch geschockt zugeschaut, bis fast alle gesegnet waren. 

Jetzt kommt aber erst der spannende Teil der Geschichte! Da wir - mit einer Ausnahme – die einzigen beiden Weißen in der Kirche waren, fielen wir dementsprechend auf und der Mann der alle segnete bemerkte, dass wir nicht an der Segnung teilgenommen hatten. Also kam er danach auf uns zu und zwei Kameras und Mikrofone (der ganze Gottesdienst wurde gefilmt) kamen sofort hinzu. Er streckte mir seine Hand entgegen und ich dachte, er will nur kurz das gleiche durchziehen, das er es bei allen anderen gemacht hatte: Mir mit der Hand leicht vor die Stirn schlagen, und so gab ich ihm meine Hand, um das Ganze möglichst schnell hinter mich zu bringen. Nachdem er mir einige Augenblicke mit besessenen Augen in meine geschaut und mir leicht ins Gesicht gepustet hatte, schlug der Mann mich so heftig gegen meinen Kopf, dass mir sofort klar wurde, wieso so viele Leute umgefallen waren. Er schlug mehrmals heftig zu, aber ich fiel trotz allem nicht um, weil ich nicht, im Gegensatz zu anderen, der festen Überzeugung war, Gottes Kraft würde mich durch seine Hand berühren. Deshalb zog er mich an meinen Haaren, damals noch massig geflochtene Rastas, auf den Boden. Das war für mich dann echt endgültig der Beweis, dass das nur ein Heuchler in einer einzigen großen Show war. In meiner Wut und meinem Entsetzen stand ich auf und schaute zu, wie er das Gleiche mit Clara versuchte. Sie war aber schlauer; sie setzte sich sofort wieder auf ihren Stuhl, nachdem er auf sie zutrat und sagte, sei wolle das nicht. Er ist natürlich nicht gleich weggegangen, sondern hat sie nach ihrem Namen usw. gefragt, während sich die Mikrofone an ihren Mund drängten. Danach hat er auch ihre Hand genommen und sie angestarrt pipapo, wie er es bei mir gemacht hatte. Zusätzlich legte er ihr die eigene Hand aufs Herz, wahrscheinlich um sie spüren zu lassen,  wie aufgeregt sie sei. Das machte er auch nochmal bei mir und zum Schluss meinte er „Jesus loves you!“, nach dem Motto: der Teufel ist aus dir raus, Jesus liebt dich. 

Gruselig war auch, dass während dem kompletten Segnen, das bestimmt eine Stunde lang ging, der Chor und die ganze Gemeinde „out! Out!!“ gerufen hat, wie um den Teufel auszutreiben.
Danach waren wir erstmal den ganzen Tag geschockt und sehr aufgebracht (um 14:00 Uhr haben wir die Kirche verlassen!). Aber im Nachhinein war es gut, so eine Erfahrung auch mal gemacht zu haben. Da uns schon zuvor davon erzählt wurde, hätte es mich wahrscheinlich ewig interessiert, mal zu sehen wie das wirklich abläuft. Aber das ist natürlich dann von Kirche zu Kirche auch nochmal anders. 

Jedenfalls haben wir eines Tages doch noch die Kirche unserer Freundin besucht, die sehr viel angenehmer war und auch nur 2 Stunden gedauert hat anstatt 5…

P.S.: Es könnte sein, dass „Segnen“ das falsche Wort dafür ist, aber ich habe es so aufgefasst und das ergibt für mich am meisten Sinn.

Samstag, 10. Dezember 2016

4. House of Hope



Jetzt wird es wirklich mal Zeit, von meiner Arbeit im Projekt House of Hope zu erzählen!

Morgens arbeiten wir in der Nursery also im Kindergarten. Eigentlich fängt die um acht Uhr an, aber Clara und ich kommen meistens erst so um 8:30 Uhr, weil unsere Anreise zum Projekt eine lange und oft umständliche ist…
 Von unserem Haus laufen wir die unebene Dustroad entlang zur großen Straße, die raus aus dem Stadtteil Biwi und Richtung Area 23 führt. Da stellen wir uns jeden Morgen in den Schatten eines großen Mangobaumes (von dem wir auch schon abgefallene Mangos mitgenommen haben) und versuchen, mehr oder weniger geduldig, einen Lift zu bekommen, der uns zur Petroda Filling Station (eine große Tankstelle) bringt. Manchmal, wenn wir großes Glück haben, erwischen wir einen Pickup, der uns auf der Ladefläche mitfahren lässt. Zwischen der Petroda und der Total Tankstelle laufen wir dann die Straße runter zu den Minibussen, die nach Area 24, Ngwenya fahren. Oft sehen wir im Herlaufen, wie gerade ein Bus losfahren will, aber mittlerweile kennen uns fast alle Busfahrer und Conducter von Ngwenya, weil wir jeden Morgen ungefähr um die gleiche Zeit dahin fahren und zudem ja nicht gerade unauffällig sind, und so warten sie immer auf uns. Das ist aber auch ein beliebter Trick bei den Busfahrern hier. Sie tun so, als ob sie grade losfahren würden, und das soll anscheinend mehr Kunden anlocken oder schneller. 
Letzter Zeit dauert die Fahrt dorthin viel länger als sonst, da manche größere Straßen neu gemacht werden und die Minibusse so die schrecklichsten Umwege machen müssen. Die Straßen in Area 24, vor allem die Umwege, sind eine Zumutung für Minibuskunden. Es ist eine holprige und unsichere Fahrt, bei der man sich gerne den Kopf an der Decke des Minibusses anschlägt. Trotzdem sind dort sehr viele Minibusse unterwegs und kommen wirklich immer, egal wie uneben oder eng die Straße ist, aneinander vorbei. Einmal kamen wir einem großen Hügel entgegen, der aber nur halb auf der „Straße“ war. Da dachte sich der Busfahrer wohl: Drunter können wir nicht, drüber können wir nicht.. Wir müssen mittendurch! Und dann sind wir mit dem Minibus so schräg über diesen Hügel gefahren, wir dachten wirklich der Minibus kippt gleich um!
 Aber, wie wir schon festgestellt haben gilt für alle Minibusse: Nichts ist unmöglich; Toyota! Man müsste wirklich hier einen Werbespot für Toyota drehen, da die Minibusse auch weitestgehend von Toyota oder anderen japanischen Automarken sind...
Wenn wir dann doch irgendwann irgendwie angekommen sind, müssen wir noch 5 Minuten die Straße zu unserem Projekt runterlaufen, das direkt am Anfang des Ngwenya-Marktes liegt, auf dem immer sehr viel los ist. Auf dem Weg hören wir schon von allen Seiten meistens Kinder - aber auch Erwachsene - Azungu (Weißer) oder Lala rufen, wie wir Projekt bekannt sind.
Sobald wir uns im Office eingezeichnet haben, kann es losgehen. Wir kommen in die Nursery, wo die Kinder meistens schon lebhaft Monate oder Wochentage lernen. Die liebliche Engelsstimme von Susan dringt manchmal schon durch das Kindergeschrei durch…
 Susan und Partuma sind die beiden Erzieherinnen, die mit uns in der Nursery arbeiten. Manchmal sind beide im Raum, manchmal aber auch nur eine von beiden. Nachdem wir sehr freundlich begrüßt wurden, stürzen sich auch schon alle Kinder auf uns und hindern uns daran, Platz zu nehmen. Wir haben den Kindern auch schon neue Lieder beigebracht, zum Beispiel " I like the flowers" "Aramsamsam" oder "In the jungle". Manchmal kommen auch Kinder zu uns her und sagen, welches Lied sie hören wollen. Wir haben auch vor, den Macarena Song runterzuladen und mit denen zu tanzen, ich glaube darauf werden die richtig abgehen! Nur haben wirs bis jetzt noch nicht geschafft...

Während die Kinder also Lieder singen und kleine Spiele spielen, wird in der Küche schon das Porridge vorbereitet, das die Kinder jeden zweiten Tag bekommen und wir dann auch. Mit Zucker ist das auch lecker und macht pappsatt. Die Kinder haben aber auch ihr eigenes Vesper dabei, was meistens sehr ungesund aus Chips und Fanta besteht. Viele haben aber auch Reis oder Kartoffeln dabei, das sie dann auf dem ganzen Boden verteilen, vor allem den Reis, weil der sich nicht gut mit Händen essen lässt ..:D 
Während die Kinder ihren Reis auf dem Boden verteilen, kümmern wir uns um ihre Zahnbürsten. Unsere beiden Vorfreiwilligen haben nämlich begonnen, mit den Kindern ihre Zähne zu putzen und haben uns gebeten, dies weiter zu tun. Am Anfang haben wir die Zahnbürsten einfach mit heißem Wasser abgespült und sie dann wieder willkürlich verteilt, aber eine Mutter kam auf Partuma zu und hat gemeint, das reiche nicht und die ganzen Bakterien würden sich trotz dessen verbreiten. Also haben wir angefangen, auf jede Zahnbürste die Namen zu schreiben (und die jeden Tag zu erneuern). Anfangs war das viel zu chaotisch, weil wir die Namen noch nicht wirklich kannten und die Kinder sich auch nicht melden, wenn man den Namen aufruft, bzw. es schreien 79 andere Kinder (insgesamt sind es 80, wobei nicht immer alle da sind) „Lala, ine!“, was soviel wie „Clara, ICH!“ heißt. Clara hat irgendwann angefangen, sich als Lala vorzustellen, deswegen sind wir für viele jetzt Lala und Clala, vor allem viele Kinder nennen uns beide nur noch Lala.
Susan hat uns aber immer geholfen mit den Namen und so haben wir durch das Zähneputzen auch total schnell alle Namen gelernt. Hier eine kleine Liste der Top-Namen:

Godfully, Innocent, Miracle und Given, Miracle und Memory, Promise, Gift, Chimwemwe (happy), Pemphero (prayer), Charity, Mphatso (gift) Haluni und viele mehr… 

Hier in Malawi sind Namen, die eine Bedeutung haben sehr beliebt, weswegen viele einfach englische Wörter zum Namen haben, oder die Übersetzung auf Chichewa. Oft werden wir auch gefragt, welche Bedeutung unsere Namen hätten oder was die Übersetzung ist.
Nachdem wir alle Zahnbürsten wieder eingesammelt haben, manchmal etwas mühsam, geht auch schon die Pause zu Ende. Seit kurzem haben wir auch angefangen, Freitags Seifenblasen zu machen, das lieben die auch total. Dazu braucht man nämlich nur Wasser, Spülmittel und Glycerin (was man in jedem Supermarkt billig bekommt). Erst haben wir die Mischung nicht so gut gemacht, deswegen war das mit den Blasen machen etwas schwierig. Aber letzten Freitag war die Konzentration perfekt und einige Kinder haben riesige scchöne Seifenblasen hinbekommen. 
 Spätestens um 11 Uhr werden alle Kinder wieder in den Raum geholt und manchmal lernen sie noch was, zum Beispiel die ersten Buchstaben zu schreiben. Das ist ziemlich witzig, weil dann alle mit Kreide auf den Steinboden malen oder versuchen, mit ihren kurzen Armen, die hohe Tafel zu erreichen und dafür auch gerne einen dieser furchtbar wackligen Stühle zur Hilfe nehmen. 
In dieser letzten Stunde werde ich immer sehr müde, da es viel anstrengender ist, sich 3 Stunden lang mit so vielen kleinen Kindern zu beschäftigen, als man denkt! 
Kurz vor 12 wird dann noch ein kleines Tagesgebet aufgesagt/geschrien und ein kurzer Abschiedssong gesungen. Nachdem sich die Kinder alle einzeln bei uns mit einem High 5 verabschiedet haben, geht es mit Mama/Papa oder Geschwisterkind nach Hause und Clara und ich können uns auf den Maisbrei stürzen. Inzwischen finde ich diesen Nsima schon essbar (obwohl der im Projekt scchon nochmal ekliger ist als bei Malawiern zu Hause), aber nur wenn es Fleisch dazu gibt. Dann kann man den Nsima so in der Fleischsoße wälzen, dass man hinterher den Nsima-Geschmack nicht mehr schmeckt. Viele sagen ja, dass der Maisbrei einfach nach nichts schmeckt und deswegen so langweilig ist, aber in unserem Projekt hat der, finde ich so einen ekligenNachgeschmack...
Naja genug zum Nsima! Da wir eine sehr lange Mittagspause haben, haben wir auch sehr viel Zeit, uns mit den verschiedensten Sachen zu beschäftigen. Manchmal spielen wir Bao, wenn das Holzbrett gerade frei ist. Bao ist das bekannteste und beliebteste Spiel hier in Malawi; das sieht man die Leute aucch ständig auf dem Markt oder am Straßenrand oder vorm Haus spielen. Da sitzen dann zwei Männer, die rasend schnell und fließend Murmeln durch die Kuhlen des Holzbrettes bewegen, während unzählige andere Leute drum herumstehen und gebannt zuschauen.  
Wenn aber gerade jemand anderes beim Baospielen ist, lesen wir uns gerne auch mal ein Philosophie Buch vor oder hören einfach Musik. Und irgendwann bereiten wir dann meistens auch unseren Unterricht vor... 
Montag, Mittwoch und Freitag unterrichten wir unsere Standard 5 Schüler (5. Klasse) von halbvier bis 5. Davor haben wir noch eine knappe Stunde Chichewa Unterricht bei einem sehr jungen Lehrer unseres Projektes (19), der selbst grade noch Schüler in der Form 4 ist (letzte Stufe der Secondary School) und sich gerade auf ein Technical College in Lilongwe bewirbt. Mit den Fünftklässlern macht der Unterricht richtig Spaß.  Wir haben nämlich jeweils nur 5 Schüler zwischen 11 und 14, die alle total lustig sind und dann während der Pausen gerne tanzen oder singen (oder auch im Unterricht schon). Wir haben sie schon total liebgewonnen und freuen uns jedes Mal auf unsere Schüler.

Dagegen jedoch sind unsere Erstklässler, die wir Dienstag und Donnerstag unterrichten, sehr viel anstrengender. Die kommen halt direkt aus der Nursery und sind noch nicht so richtig an die Schule gewöhnt, zumal sie bei uns sicherlich frecher sind als bei den anderen Lehrern. Vor denen haben sie viel mehr Respekt, weil sie strenger sind und zur Not auch mal nen Klaps auf den Hinterkopf geben. Manchmal läuft der Unterricht ganz gut und der Großteil schreibt von der Tafel ab, aber da gibts es dann doch diese Rabauken, die nie einen Bleistift oder Heft dabei haben (was alle am Anfang des Schuljahres von der Schule gesponsert kriegen). Eigentlich sind es auch nur 13 Kinder, was im Gegensatz zu den normalen Klassen, in denen 40-60 Kinder sitzen, gar nichts ist. Aber trotzdem ist es für uns wirklich eine Heidenarbeit, sie alle in Schach zu halten (was ich eigentlich nie schaffe:D). Ich kommee jedenfalls immer total fertig und manchmal sogar mit dem Gedanken, was geschafft zu haben, aus dem Unterricht.

Soviel mal zu unserer Arbeit im House of Hope... Ich könnte noch STUNDENLANG über die Kinder in der Nursery schreiben, weil sie alle so einzigartig lustig sind. Aber um das nachvollziehen zu können  müsste man sie einfach live erleben..!

Wir haben jetzt noch eine Woche zu arbeiten (nur Nusery, weil die Schüler eine besondere Woche mit den Angeboten wie Tanz, Theater, Chor und mehr haben) und dann gehen wir über Weihnachten und Silvester Malawi bereisen! Ich freu mich da sehr drauf, da mich meine Schwester Lena besuchen kommt und wir uns hoffentlich schon vor oder an Weihnachten sehen!! 

Der nächste Eintrag kommt dann wahrscheinlich erst 2017...=)

P.S.: Das mit den Bildern klappt immer noch nicht, ich weiß nicht worans liegt, weil ich grade sogar gutes Internet habe... Aber ihr könnt mich sonst auch privat anschreiben, dann kann ich ein paar Bilder senden